Mein Interview für Menschenrütteln - ein neues Blog über Menschen, die an verkrusteten Strukturen rütteln

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Die freie Journalistin Sylvia M. Bergmann hat Mitte Oktober ein Blog gestartet - eine unmittelbare Folge des Freischreiber-Zukunfts-Kongresses. Ihre Beschreibung, dessen, was Menschenrütteln sein will, macht neugierig. Es soll “Menschen zeigen, die machen, Unternehmer mit Leidenschaft, Gründer mit Mut zum Risiko, lässt Fachleute zu Wort kommen und zeigt schlaue Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten in den Bereichen Innovation, Existenzgründung und Nachhaltigkeit.” Die Autorin ist Fachjournalistin für Innovation, Existenzgründung und Nachhaltigkeit und betreibt das Redaktionsbüro „Schreib-Handwerk“ in Idstein/Wiesbaden.

Das hier in der Selbstbescheibung finde ich besonders gut: “Seit 1995 schreibe ich über kreative Köpfe und Menschen, die an verkrusteten Strukturen rütteln.” So sehe ich mich doch gerne beschrieben und habe deshalb Sylvia M. Bergmann gerne ein Interview gegeben :-) (Nachtrag: das Interview steht jetzt auch bei Menschenrütteln.) Vielen Dank an die Menschenrüttlerin für ihr nettes Angebot, das Interview hier vorab zu veröffentlichen und (natürlich nicht nur deshalb) meine wärmste Empfehlung an alle Aufrüttler und Aufgerüttelt-werden-Wollende künftig regelmäßig in ihr Blog zu schauen.

Interview:

Auf dem Freischreiber-Kongress 2010 in Hamburg habe ich mit Kollegen gesprochen, die noch keine eigene Website haben, diese aber demnächst einrichten möchten. Dass man als freier Journalist eine eigene Homepage haben sollte, ist also den meisten bewusst und gilt heute als Standard. Von Facebook, Twitter und sozialen Netzwerken allgemein wollen dagegen viele noch nichts wissen. Kann es sein, dass wir über 30-Jährigen dafür einfach schon zu alt sind?

Ich bin Jahrgang 1962 und denke nicht, dass das eine Frage des Alters ist. Ich mag auch gar nicht die Unterscheidung zwischen Digital Natives und Digital Immigrants. Man kann es nicht ändern, in welches technologische Zeitalter man hinein geboren wurde. Professor Peter Kruse hat ein anderes Begriffspaar geprägt, das ich passender finde: Digital Residents und Digital Visitors. Damit wird sehr viel deutlicher, dass die Affinität zum Netz persönlich geprägt und eine Frage der persönlichen Einstellung ist. Ich kenne ältere Kollegen als mich, die auch den Sprung in die Welt der sozialen Netzwerke geschafft haben, was am Anfang nicht unbedingt leicht fällt. Aber wenn man es geschafft hat, innerlich den Schalter umzulegen, will man gar nicht mehr zurück.

Darüber hinaus halte ich es für wenig sinnvoll, eine Website zu haben, ohne Twitter oder Facebook einzubeziehen. Die zentrale Frage ist im Grunde, ob es heute überhaupt noch Sinn macht, eine statische Homepage zu haben. Ich finde, Journalisten sollten bloggen – da halte ich es mit Stefan Niggemeier, der mich mit seinem Rat überhaupt erst zum Bloggen gebracht hat. Ich wünschte, ich hätte schon viel früher damit angefangen. Für mich haben sich, seit ich 2008 mit meinem Blog Medial Digital gestartet bin, Welten verändert. Meine Angebote sind seit meinem Start viel gefragter: Ich kann höhere Honorare verlangen und lehne sehr vieles ab, was ich früher nicht abgelehnt hätte – weil ich es unterbezahlt finde. Und vor allem: Ich kann mir eine stärkere Spezialisierung als früher leisten und tiefer in die Themengebiete einsteigen, die mich wirklich interessieren, weil ich diese Themen breiter vermarkten kann als früher.

Heute schreibe ich nicht nur, sondern halte auch Vorträge und gebe Seminare. Meine traditionellen Kunden sind Fachzeitschriften. Meine neuen Kunden, die ich meinen Aktivitäten im Netz verdanke, sind völlig unterschiedlich: Kongressveranstalter, Journalistenschulen, Journalisten-Aus- und Weiterbildungseinrichtungen, die mich für Seminare, Vorträge oder Podiumsdiskussionen buchen. Ich schule außerdem die Redakteure kleinerer Fachverlage in Social Media. Das alles führt dazu, dass es mir heute wirtschaftlich besser geht. Es steckt zwar jede Menge Arbeit im digitalen Netzwerken, aber ich fühle mich heute wohler mit meiner journalistischen Tätigkeit. Und das verdanke ich eindeutig dem sozialen Netz.

Nochmal: Es macht keinen Sinn zu bloggen, sich aber ansonsten aus dem sozialen Netz fern zu halten. Wenn ich über Google Analytics in mein Backend schaue, sehe ich, dass mindestens 80 Prozent des Traffics aus dem sozialen Netz kommt. Über Twitter und andere Blogs. Und über zunehmend über Facebook. Als ich angefangen habe zu bloggen, habe ich schon nach zwei Tagen gemerkt: Bloggen ohne Twittern, das geht gar nicht. Man muss die Social Media-Komponenten unbedingt sinnvoll miteinander kombinieren.

Wer nach +„Ulrike Langer” +Medienjournalistin +Köln googelt, erhält über 700 Einträge. Ist das nicht ein bisschen viel Transparenz? Macht Sie das nicht angreifbar?

Wenn es so viele Treffer sind, finde ich das super. Noch besser wären 7000 Einträge. Scherz beiseite: Ich bin freie Journalistin und muss meine Expertise auf dem freien Markt verkaufen. Das bedeutet, dass ich unbedingt auffindbar sein muss. Außerdem kann nur derjenige glaubwürdig dafür stehen, sich im sozialen Netz auszukennen, der im sozialen Netz auffindbar ist. Es war sogar mein erklärtes Ziel, mit meinem Allerweltsnamen Ulrike Langer möglichst oft im Netz gefunden zu werden. Mittlerweile führen von zehn Einträgen bei der Suche nach “Ulrike Langer” auf der Suchergebnisstartseite bei Google acht Einträge zu mir. Und das ist eindeutig dem Bloggen und meinen sonstigen Aktivitäten im sozialen Netz zu verdanken. Denn Twitter und Facebook, das rankt alles unglaublich gut bei Google. Zu wem dort viele Links führen, der taucht auf, der ist sichtbar. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nur deshalb etliche Anfragen von Veranstaltern bekomme, weil ich leicht auffindbar bin.

Und dann impliziert Ihre Frage, ob mir das unangenehm ist: Überhaupt nicht. Man muss unterscheiden zwischen persönlich und privat im Netz. Ich trete als Person mit meinem Klarnamen im Netz auf. Ich twittere zwar zu 99 Prozent berufsbezogen, aber das durchaus auch in einem lockeren Stil. Aber wirklich Privates von mir wird man so gut wie gar nicht im Netz finden. Ich diszipliniere mich selbst, indem ich grundsätzlich nur mit eigenem vollem Namen und mit einer Verlinkung zu meiner eigenen Seite agiere. Ich würde mir dreimal überlegen, ob ich jemanden im Netz beleidige, denn das ist auffindbar. Ich schreibe nur das, wozu ich auch noch nächste Woche stehen kann. Es ist eine Art von Selbstdisziplinierung, bewusst nicht anonym im Netz aufzutreten, sondern immer nachvollziehbar. So sind alle meine Einträge zu mir zurückführbar.

Für freie Journalisten finde ich es normal und auch notwendig, sich im sozialen Netz zu engagieren. Ich propagiere überall, wo ich kann: Freie Journalisten müssen viel unternehmerischer denken. Sich lösen aus der Abhängigkeit von Auftraggebern, die einseitig die Preise und die Rechte diktieren. Dazu gehört aber auch, sich selbst zu vermarkten und in der Öffentlichkeit zu stehen. Wer nicht die Werbetrommel für sich rührt, nicht seine Expertise, seine Schwerpunkte und sein Angebot offen zeigt, wer sich nicht öffentlich exponiert, der wird als freier Journalist nicht erfolgreich sein. Ich weiß nicht, warum ausgerechnet Journalisten bei Social Media so skeptisch sind. Würde ein Autohändler, der nicht für sich wirbt, jemals ein Auto verkaufen?

Honorieren Ihre Kunden Ihr digitales Engagement? Welche Rückmeldungen erhalten Sie?

Ich habe vor allem deshalb begonnen zu bloggen, weil ich im Blog über Themen schreiben konnte, für die sich kein Redakteur interessierte. Also habe ich mich über mein Blog direkt an mein Publikum gewandt, weil ich wissen wollte, ob sich die Leser nicht doch für meine Inhalte interessieren. Das ist mittlerweile nur noch ein Teil meiner Motivation. Die Hauptmotivation ist inzwischen, einen repräsentativen Ausweis meines Schaffens und meiner Interessensgebiete im Netz abzubilden. Und das kommt sehr gut an bei meinen Kunden. Ich betreibe aber auch kein Krawall-Blog. Ganz selten liegt mir ein Thema so am Herzen, dass ich auch mal auf Aufregerthemen einsteige.

Meine Inhalte sind vor allem Nutzwert auf eine sachliche Art. Ich versuche Erkenntnisse aufzuzeigen, angereichert mit meiner eigenen Meinung. Und das kommt gut an. Jeden Sonntagabend zum Beispiel stelle ich die Linktipps zum Wochenstart zusammen, die zunehmend abgerufen werden. Vor anderthalb Jahren habe ich damit ganz klein angefangen –manchmal nur für hundert User. Während andere frei haben, stecke ich jeden Sonntag gut vier Stunden Arbeit in die Recherche und Zusammenstellung der Linktipps. Das bezahlt mir keiner. Ich mache das aber gerne und sie erfreuen sich steigender Beliebtheit. Ich stelle sie jede Woche als Duplikat auch bei Carta ein. Inzwischen verlinkt Perlentaucher manchmal auf meine Linktipps. Und wenn sie bei Perlentaucher sind, sind sie auch bei Spiegel-Online in der Rubrik Heute in den Feuilletons. Außerdem habe ich Flattr und Kachingle integriert. Jeder Kommentar, jedes “gefällt mir” und jeder Klick auf diese Social Payment Buttons ist eine sichtbare Anerkennung.

Das beste Feedback, dass ich von meinen zahlenden Kunden bekomme, sind Aussagen wie diese, die ich sinngemäß immer häufiger höre: “Sie haben doch neulich einen Vortrag zum Thema Social Media im Journalismus gegeben. Die schriftliche Fassung habe ich auf Ihrem Blog gelesen. Können Sie dazu bei uns im Haus ein Seminar geben?”

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2 Kommentare » Schreibe einen Kommentar

  1. Sehr gutes, vor allem sehr nachvollziehbares Interview, danke. Über das mit dem Krawall-Blog denke ich allerdings noch nach ,)

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